Nova Scotia Duck Tolling Retriever?


Hundemagazin WUFF, Ausgabe April 2005

Ein Rasseportrait von Barbara Antesberger ist im Österreichischen Hundemagazin WUFF im April 2005 veröffentlicht worden.

 

Artikel ist im pdf-Format (306 kb) erhältlich mit freundlicher Genehmigung der Redaktion WUFF, dass Österreichische Hundemagazin.

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Unsere erste Begegnung mit einem Toller liegt viele Jahre zurück. Der Wunsch nach einem Hund war groß und der kleine „Retrievermischling“ Toby aus einem Tierheim gleich mit uns einverstanden. Nachdem wir mehrmals angesprochen wurden, ob das ein „Toller“ sei, packte uns die Neugier. Ein zweibändiges kynologisches Lexikon brachte Klarheit: tatsächlich war der Golden-Mix in unserem Garten ein Toller, genauer gesagt ein Nova Scotia Duck Tolling Retriever. Er sorgte sehr gründlich für eine heftige Infizierung mit dem Tollervirus. Mittlerweile haben wir zwei Hündinnen: Baki, aus Belgien und Novalischka aus der Slowakei, beide „Second Hand“. Der Elan und das Temperament der beiden Mädels überrascht uns immer wieder: Schwimmen bei -11° C, den Hundeclub Aufmischen und unendliche Ausdauer bei Spiel und Arbeit zeigen sind Freude und Aufgabe zugleich – Faszination Toller!

 

Ähnlich wie uns geht es vielen Menschen, der Tollervirus ist hoch ansteckend. Leider werden Toller oft für kleine Golden Retriever gehalten, genauso sanft und pflegeleicht, aber dafür von handlicher Größe. Wenn man sich mit einem Toller näher auseinandersetzt, stellt man schnell fest, dass es neben der Liebe zum Wasser und zum Apportieren wenig Gemeinsamkeiten gibt. Nach dem Lebensmotto der Toller „Das Spiel ist unser Leben – unser Leben ist Spiel“ (Zitat Peter Beythien), sollte man sich richten, wenn man sein Leben mit einer dieser quirligen roten Pelznasen teilen möchte.

 

Toller sind sehr starke Hundepersönlichkeiten mit viel Eigensinn und enormer Ausdauer. Als sehr aktive und bewegungsfreudige Hunde müssen sie entsprechend ausgelastet werden. Bei zu wenig Beschäftigung, sucht er sich neue Aufgaben – das kann für den nachlässigen oder überforderten Besitzer sehr unangenehm werden! Das Gebell des Tollers wird zu Recht mit Blechdosengeschepper u.ä. verglichen, das Gebiss ist sehr kräftig, die Pfoten geschickt; eine ideale Ausstattung, um sich Spaß selber zu organisieren… Eine kleine Runde um den Block dreimal täglich ohne Anforderungen an den Hund entspricht nicht den Erwartungen eines Tollers (wie denen der wenigsten Hunde).

 

Die ursprüngliche Verwendung der Rasse ist wie bei allen sechs Retrieverrassen die Jagd. Als eine von nur zwei Hunderassen weltweit locken diese Hunde Enten an, um sie nach erfolgtem Schuss mit weichem Maul zu apportieren (die holländischen Kooikerhondje sind ebenfalls für diese Art der Jagd gezüchtet und zählen vielleicht zu den Ahnen der Toller). Diese Art der Jagd wird „Tolling“ genannt: der Hund läuft dabei im seichten Wasser auf und ab und trägt die buschige Rute über dem Rücken. Die von Natur aus neugierigen Enten lassen sich von dem seltsamen Verhalten des Hundes und dem auf und ab wippenden Schweif anlocken, bis sie entweder in Schussreichweite sind oder in einem Decoy (einem sich verengenden Netzsystem) gefangen sind.

 

Über den Ursprung der Duck Tolling Retriever und ihre besonderen Jagdart gibt es viele unterschiedliche Angaben. Vermutlich kann man sich die Geschichte des Tollers so vorstellen: Indianer beobachteten Füchse, die im Schilf auf- und abliefen und mit ihren ruckartigen Bewegungen und dem buschigen Schweifen die von Natur aus neugierigen Enten anlockten. Das erfolgreiche Jagdverhalten der Füchse gab vielleicht den Anreiz, Hunde mit ähnlichen Eigenschaften zu züchten. Auch die folgende Version wäre plausibel: Verarmte Schotten, die nach Kanada auswanderten, brachten die Urform des Tollers mit und nutzten die natürliche Verspieltheit der Hunde und ihren Gehorsam für diese ungewöhnliche Jagdmethode.

 

Im 19. Jahrhundert wurde mit der planvollen Zucht der kleinen Retriever begonnen: Cocker Spaniels, Irish Setter und vielleicht auch Collies wurden zu dieser Zeit eingekreuzt. Manchmal findet man auch noch die alten Bezeichnungen für den Toller: „Little River Duck Dog“ oder „Yarmouth Toller“. Erst 1945 wurde die Rasse in Kanada anerkannt, 1981 folgte die FCI-Registrierung (Fédéracion Cynologique Internationale).

 

Der Rassestandard spricht von einem mittelgroßen, kraftvollen Hund. Rüden erreichen ein Stockmaß bis 51 cm und wiegen bis 23 kg, Hündinnen bis 48 cm und 20 kg. Das Haarkleid muss bei einem Hund, der viel aus dem Wasser apportiert, besonders dicht und wasserabweisend sein. Charakteristischerweise sieht das Fell hinter den Ohren und zwischen den Zehen wie gekreppt aus, vor allem wenn der Hund nass ist. Die Farbe des Tollers variiert von Orange über Rot bis Dunkelrot, meist haben die Hunde weiße Abzeichen am Kopf (Blesse), Brust, Pfoten und/oder Schwanzspitze. Der Schwanz wird bei Aufregung über dem Rücken getragen (wichtig für das Tolling).

 

In Österreich gibt es derzeit nur eine aktive Züchterin, in Deutschland und vor allem in der Schweiz ist der Toller seit ca. 15 Jahren vertreten. Häufig ist die Hunderasse in Skandinavien, England und in Nordamerika zu finden. In den USA gibt es einen Verein, der „Second hand Toller“ an geeignete Besitzer vermittelt. Leider gibt es aber auch in europäischen Tierheimen immer mehr Toller – offensichtlich werden die Hunde aufgrund ihrer eher geringen Größe und Verspieltheit immer noch gerne als „Minigolden“ betrachtet. Die Lebhaftigkeit und der Elan der Hunde überraschen oft auch erfahrene Hundebesitzer. Der Charme des Tollers macht den Verzicht auf den Grundgehorsam leicht, die Sturheit des Hundes gibt einmal erworbene Rechte aber nicht gerne auf!

 

Toller sind wie geschaffen für die unterschiedlichsten Arten des Hundesports. Die gelehrigen Hunde mit einem starken „will to please“ findet man bei Obidience-Bewerben, der Fährtenarbeit, Dummyarbeit, bei Agility, Flyball oder als Rettungshunde. Wie alle Retriever sollte man Toller nicht zur Schutzarbeit verwenden. Verbissener Ehrgeiz sorgt für Druck und Überforderung bei Tollern. Die Hunde sind sehr sensibel und brauchen einen einfühlsamen Hundeführer, der den Sport mit Freude betreibt, aber nicht etwaige berufliche oder persönliche Defizite mit dem „Sportgerät“ Hund ausgleichen möchte.

 

Dummyarbeit zählt für viele Toller-Besitzer zur wichtigsten Ausbildung für ihren Hund. Sie fordert den Hund rassetypisch, ist zwar die Vorbereitung auf die Jagd, bleibt aber für viele Hundeführer und Hunde (geliebter) Selbstzweck. Auch Dummyarbeit kann bei Prüfungen gezeigt werden. Das Dummy (eine Art Beißwurst in verschiedenen Ausführungen) wird geworfen, der Hund dann zum Apport geschickt. Einspringen, d.h. loslaufen, bevor das Dummy liegt, ist nicht erlaubt. Auch das aufgeregte Fiepen des Hundes soll unterbleiben – bei der Jagd wären beide Eigenschaften sehr störend. Natürlich ist das nur die Grundübung der Dummyarbeit: die höheren „Weihen“ hat ein Hund erreicht, der in einer Reihe mit anderen Hunden (Strike) gelassen wartet, bis er ein Kommando bekommt und dann ein Dummy apportiert, z.B. aus dem Wasser. Gerade Toller neigen dazu, am Wasser heftig zu reagieren und vor lauter Erwartung zu fiepen, endlich ins Wasser zu dürfen… Eine gute Einführung in die Dummyarbeit zeigt die unten angeführte Kosmos-Retrieverschule, natürlich bieten auch die Retrieverclubs Kurse und Lehrgänge an.

 

Toller sind liebenswürdige Mitbewohner, ihr Einfallsreichtum und ihr Charme lassen keinen Tag zum Alltag werden – mit allen Vorteilen und Nachteilen, die diese Eigenschaften mit sich bringen.

 

Die Rasse ist von der FCI unter der Nummer 312, Gruppe 8/1 registriert. Die lange Rassebezeichnung lautet übersetzt:

Nova Scotia Duck Tolling Retriever
Neuschottischer Enten anlockender Apportierhund .